Das erste Wochenende!

Geschrieben am 07.10.2008 von Ulrich Geilmann

Ulrich Geilmann

Neues Spiel – neues Glück. Die Schachbundesliga 2008/2009 hat begonnen. Mit den Kämpfen gegen Wattenscheid und Solingen kam es zu einer Neuauflage der letztjährigen Startbegegnungen, die ja bekannter Maßen ersatzgeschwächt verloren gingen. Diesmal wollten wir es besser machen.

Um auf die Duelle einzustimmen, hatte ich das Team deshalb bereits am Freitag ins Ramada-Treff-Hotel nach Solingen gerufen. Und die Vorzeichen standen gut. Mit unseren Spitzenbrettern Alexander Motylev, Viktor Laznicka, der zum ersten Mal die Katernberger Farben trug und Erwin l’Ami, dem Mittelbau Igor Glek, Christian Seel, Sebastian Siebrecht sowie den Rückraumspielern Robert Ris und Christian Scholz hatten wir eine durchaus schlagkräftige Truppe aufgeboten.

Auch die Stimmung war gut. Kurz entschlossen hatten wir uns ein asiatisches Restaurant ausgesucht. Preiswertes Büffet vom Feinsten! Außerdem hatte unser Sebastian nach einem kurzen Flirt mit der netten Hotel-Rezeptionsdame auch gleich die Spielpaarungen vom Freitag parat. Damit waren die Vorbereitungen eigentlich kein großes Problem mehr, selbst wenn unsere Gegner doch noch ein wenig umstellen sollten, was allerdings zu erwarten war. Also alles in allem also ein guter Anfang.

Doch bevor es dann am Samstag wirklich gegen unsere Schachfreunde aus Wattenscheid los gehen sollte, hatte der Berichterstatter noch einen Spezialauftrag zu erledigen: Ihm war von höchster Stelle aufgetragen worden, einige scharfe Küchenmesser aus der berühmten Klingenstadt zu besorgen. Doch in der Fußgängerzone angekommen, musste ich feststellen, dass weit und breit kein entsprechendes Fachgeschäft zu sehen war, das die rostfreien Erzeugnisse anbot. Schließlich fand ich nach einiger Mühe eine kleine Küchenabteilung im Woolworth und dort schließlich auch die sagenumwobenen Solinger Klingen. Vermutlich wäre mir das allerdings so auch in jeder anderen westeuropäischen Stadt gelungen. Sei’s drum. Jedenfalls konnte ich zuhause mit den Trophäen anständig angeben.

Das Gebäude der Stadt-Sparkasse Solingen lieferte nebst Verpflegung das gewohnt gediegene Ambiente. Der eigentliche Turniersaal hatte allerdings keine wirklich gute Belüftung, was schade war, da die sonstige Ausstattung eigentlich selbst höchsten Ansprüchen gerecht wurde.

Nach einer kurzen Einweisung in die neue Bedenkzeitregelung (100 Minuten für die ersten 40 Züge mit 30 Sekunden Aufschlag pro Zug und danach 50 Minuten mit einer Gutschrift von 30 Sekunden pro Zug bis zum Ende der Partie) ging’s dann los.

SFK - Solingen
Der Spielsaal

Wattenscheid schickte mit Najer, Macieja, Rustemov, Czarnota, Appel, Holzke, Hanke und Dinstuhl eine nominell stärkere Mannschaft ins Rennen; aufgrund des Vorjahresergebnisses sah ich unseren Gegner aber ohnehin in der leichten Favoritenrolle. Insofern war ich nicht sonderlich überrascht.

Die Eröffnungsphase verlief dann eigentlich an allen Brettern auch relativ zufrieden stellend. Es entwickelte sich ein zunächst relativ ausgeglichener Wettkampf. Unser Sebastian spielte allerdings eine äußerst merkwürdige Eröffnungsvariante. Highländer-Schach – es kann nur einen geben! Vorerst schien das aber sein Gegner zu sein!

Etwa zur gleichen Zeit fuhr Alexander in einer allerdings deutlich solideren Stellung einen Bauern und nach einem unklaren Figurenopfer seines Gegners weiteres Material ein. Parallel dazu sah sich Viktor mit Schwarz einer im Sizilianer gewiss nicht untypischen Druckstellung ausgesetzt, spielte aber zielsicher mit. Ende offen. Ungemütlich fühlte sich ansonsten eigentlich nur der etwas überdurchschnittliche Zeitverbrauch einiger Katernberger Spieler an.

Während dessen erspielte sich Igor mit den schwarzen Steinen in ausgeglichener Stellung das erste Remis des Tages (0,5:0,5). Parallel dazu bot Viktor in komplizierter Variante ein Springeropfer auf a5 an. Außerdem sah es doch tatsächlich so aus, als ob Sebastian nach einigen schwierigen Entscheidungen überleben könnte.

Es wurde also langsam spannend, zumal sich der Kampf insgesamt gesehen langsam zu unseren Gunsten zu neigen schien, da Christian Seel und Robert Ris einen kleinen Vorteil erspielen und Christian Scholz eine zumindest ausgeglichene Stellung aufweisen konnte. Auch Erwin schien seine doch eher ausgeglichene Partie gewinnen zu wollen; zumindest lehnte er ohne viel Federlesen eine Remisofferte seines Gegners ab und gewann im Nachgang tatsächlich mit langen und schön anzuschauenden Schwerfigurenmanövern ein wichtiges Bäuerchen!

Erwin l'Ami
Erwin l'Ami

Leider konnte jedoch Alexander sein Material nicht so recht zusammenhalten. Ob der verbliebene entfernte Freibauer ausreichen würde? Ich tippte auf "…eher nicht…", aber was weiß ich schon! Blöder Weise sollte ich auch noch Recht behalten! Der Bauer ging verloren und die hoffnungsvolle Stellung unseres Spitzenbrettes neigte sich mit einem Bauern weniger in einem schwierigen Turmendspiel in Remisrichtung.

Das nächste greifbare Ergebnis steuerte danach Sebastian mit einer Punkteteilung bei. Eine seltsame Partie. (1:1). Indes überzog ein paar Minuten später Robert plötzlich seine Position in relativer Zeitnot ein wenig. Schön war jedoch das verdient erspielte Unentschieden von Christian Scholz, der seine solide Vorjahresleistung konservieren konnte. (1,5:1,5).

Bedauerlicher Weise veropferte sich Viktor dann aber doch noch. Er hat sich sicher eine bessere Premiere gewünscht (1,5:2,5), und auch der bis dahin so solide aufspielende Christian Seel verlor anscheinend immer mehr den Faden. Insgesamt hatte ich danach ein eher ungutes Gefühl für den Mannschaftskampf.

Dann hatte Katernberg allerdings einen wirklichen Grund zum Jubeln! Erwin brach endlich seine schwarze Serie. Sein sauber heraus gespielter Sieg war mehr als verdient. (2,5:2,5). Sein erster ganzer Punkt seit fast 3 Jahren - er kann’s also doch noch!

Nun lag es der Ausgang des Kampfes im Prinzip auf den Schultern von Christian Seel, da sich bei Alexander eigentlich nur noch etwas im Remissinne tun konnte und Robert (wenn überhaupt) eher remislich stand. Doch Christians Position sah von Zug zu Zug schlechter aus. Soweit ersichtlich würde er kurzfristig Material verlieren. Und so kam es dann auch.

Nebenbei bemerkt war gerade erst die erste Zeitkontrolle überschritten. Es scheint so zu sein, als ob die neu eingeführte Bedenkzeitregelung tatsächlich eher den Druck auf die Spieler erhöhen würde. Ich hatte eher darauf getippt, dass sich die Anzahl der Seeschlagen vergrößern würde. Tja, so kann man sich irren!

Ich wünschte mir nun zumindest noch ein gnädiges Schicksal für die Restpartien und kleine Wunder. Es hofft der Mensch solang er strebt. Doch selbst ein 3,5:4,5 war nur dann noch zu erreichen, falls die Partien von Robert und Alexander in den Remishafen münden würden. Wetten wollte ich darauf aber letztlich nicht.

Alexander Motylev
Alexander Motylev

Im weiteren Verlauf verloren Robert und Christian dann aber weitere Bauern und ich musste mich langsam mit der deutlichen Niederlage abfinden. Christian bäumte sich zwar noch einmal kurz auf, aber es half alles nichts. Er musste sich schließlich doch geschlagen geben; die Übermacht war einfach zu groß (2,5:3,5), und dass Robert seine Partie noch Remis gestalten könnte, erwartete eigentlich niemand mehr. Leider kam es dann auch so. (2,5:4,5). Sehr ärgerlich und vor dem Hintergrund der an sich guten Partieanlagen auch sehr schmerzhaft.

Das anschließende Remis von Alexander war dann zu guter Letzt nur noch Kosmetik. (3:5). Also mindestens 2 Partien verbaselt - gute Nacht, Johanna!

Robert Ris
Robert Ris

Hier noch einmal die Einzelergebnisse:

  SV Wattenscheid 1930 - SF Katernberg 1913 e.V
Brett Name Titel Elo Ergebnis Name Titel Elo
1 Najer GM 2670 ½ - ½ Motylev GM 2674
2 Macieja GM 2606 1 - 0 Laznicka GM 2601
3 Rustemov GM 2547 0 - 1 l'Ami GM 2610
4 Czarnota GM 2526 ½ - ½ Glek GM 2512
5 Appel GM 2541 1 : 0 Seel IM 2494
6 Holzke GM 2516 ½ - ½ Siebrecht IM 2453
7 Handke GM 2498 1 - 0 Ris IM 2515
8 Dinstuhl IM 2436 ½ - ½ Scholz IM 2372
  3 - 5  

Naja… Den Solingern erging’s mit einem 2 : 6 gegen Mülheim auch nicht viel besser und wir hofften auf einen möglichst hohen Frustfaktor. Außerdem war die Stimmung beim anschließenden Mannschaftsessen in unserem Asiaten schon wieder ganz gut. Es wurde fröhlich debattiert und gefrotzelt. Ein gutes Omen für den nächsten Tag…


Am Sonntag ließen wir die gleiche Aufstellung an den Start gehen. Zwar wäre es möglich gewesen, auch Georgios Souleidis aufzustellen, der noch am Samstag in Solingen journalistisch unterwegs war, doch den Joker ziehen wir vielleicht für eine andere Begegnung! Solingen änderte seine Aufstellung erwartungsgemäß leicht. Ragger setzte aus, in die Partien gingen Stellwagen, Werle, Smeets, Jussupov, Buhmann, Naumann, Ernst und Hoffman. Kein leichtes Brot.

Alexander und Erwin spielten mit Schwarz die gleiche Caro-Kann-Variante, was mich sehr freute, da die Eröffnung auch zu meinem (allerdings vergleichsweise schmalen) Repertoire gehört. Ansonsten die üblichen Betriebsamkeiten mitsamt den üblichen psychologischen Spielchen mit versteckten und offenen Remisofferten.

SFK - Solingen
SFDK - Solingen

Im beginnenden Mittelspiel keine große Veränderungen. Im Prinzip schätzte ich einen hauchdünnen Vorteil für uns ein, aber der Weg war noch lang. Dabei entwickelte sich auf Alexanders Brett eine Alles-oder-Nichts-Variante mit gegenseitigen Angriffen auf den jeweiligen Königsflügel. Gefühlsmäßig vielleicht ein bisschen besser für Weiß. Gleichzeitig stand Robert vor der Wahl entweder einen Bauern zu gewinnen und die gegnerischen Türme zu aktivieren oder die Stellung im statischen Gleichgewicht zuhalten und zu hoffen, dass sich später noch die Gelegenheit zum Materialgewinn ergibt. Er entschied sich für den zweiten Weg. Christian Scholz lief derweil einem klassischen Eröffnungsmotiv hinterher: Er opferte einen Bauern für den Entwicklungsvorteil und musste nun sehen, wie er das Material zurück bekommen würde.

Die Weißpartien von Viktor und Igor liefen ganz gut. Der Anzugsvorteil hielt sich. Auch Sebastian stand nach einem von ihm angebotenen Läuferopfer zunächst ganz zufrieden stellend. Christian Seel wickelte seine Schwarzpartie ebenso hoffnungsvoll ab. Im Prinzip war also alles in Ordnung. Der kämpferische Wille war da, auch nach dem Remis von Igor gegen den deutsch-russischen Schachbären Jussupov. (0,5:0,5).

Igor Glek
Igor Glek

Besonderen Spaß bekam ich dann an der Partie von Christian Scholz, der ein paar wundervolle Springerzüge auf das Brett zauberte. Hüsch anzusehen, wie er die Stellung durcheinander wirbelte. Etwas Sorge bereitete aber mittlerweile Alexanders Stellung, dessen König einem direktem Angriff ausgesetzt war. Leider lief er ein wenig dem Tempovorteil des Weißen hinterher.

Während sich inzwischen die Lage bei Alexander entspannte, musste sich Sebastian wieder verteidigen. Das galt auch für Robert, der kräftig arbeiten musste. Viktor stand hingegen immer besser. Die übrigen Stellungen sahen ziemlich ausgeglichen aus, wobei unser Duo Scholz & Seel vielleicht einen Windhauch besser stand.

Derweil gewann Viktor seiner Partie. Er hatte seinen Gegner stets unter Druck setzen können und glich so seine Auftaktniederlage vom Vortage und auch den persönlichen Score gegen seinen Gegner aus. Bravo, Viktor! (1,5:0,5).

Viktor Laznicka
Viktor Laznicka

Kurz danach folgten zwei Remis in kurzer Folge durch Alexander und Sebastian (2,5:1,5) sowie etwas später durch Christian Seel (3,0:2,0). Igor sah allerdings diese Partie mit Vorteil für uns, doch beide Kontrahenten zeigten in der gemeinsamen Analyse auf, dass die Stellung letztlich immer noch ausglichen gestaltet werden konnte.

Christian Seel
Christian Seel

Der nächste Remiskandidat war dann Christian Scholz, der eine gut angelegte Partie spielte. Der enorme Elo-Vorteil unserer Gegner an den unteren Brettern schien also doch keine Wirkung zu haben. (3,5:2,5).

Christian Scholz
Dr. Christian Scholz

Jetzt mussten es die Holländer unter sich entscheiden! Roberts Partie war allerdings nicht zu retten und Erwins Position zwischenzeitlich schwierig.

Dann musste Robert tatsächlich die Waffen strecken. (3,5 : 3,5). Die Luft im Turniersaal knisterte förmlich. Alle Augen waren nun auf Erwin gerichtet. Kann er seine Stellung gegen den besonnen angreifenden Smeets halten?

Nun, um eine lange Geschichte kurz zu machen, er konnte… Mit einer hochinteressanten Partieführung erspielte er das Remis und damit den ersten Mannschaftspunkt der Saison.

  SF Katernberg 1913 e.V - SG Aljechin Solingen 1868
Brett Name Titel Elo Ergebnis Name Titel Elo
1 Motylev GM 2674 ½ - ½ Stellwagen GM 2616
2 Laznicka GM 2601 1 - 0 Werle GM 2591
3 l'Ami GM 2610 ½ - ½ Smeets GM 2593
4 Glek GM 2512 ½ - ½ Jussupow GM 2587
5 Seel IM 2494 ½ - ½ Buhmann GM 2561
6 Siebrecht IM 2453 ½ - ½ Naumann GM 2502
7 Ris IM 2515 0 - 1 Ernst GM 2581
8 Scholz IM 2372 ½ - ½ Hoffmann IM 2469
    4 - 4  

Auf nach Remagen!

SFK - Solingen
Unsere Spitzenbretter

 

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