Ein schwarzer Tag

Geschrieben am 27.10.2008 von Bernd Rosen

Jugendweltmeisterschaft in Vietnam: Die Zielgerade ist in Sicht

JugendWM 2008

Wenig Punkte, viel Spaß - mit dieser knappen Formel könnte man den heutigen Tag zusammenfassen: 12 Spieler mussten mit Schwarz antreten, Filiz Osmanodja erreicht Platz 1, Jens Kotainy fasst wieder Fuß und bei einem Empfang unseres Hotels zu Ehren der WM-Teilnehmer wurde ich für einen regionalen Fernsehsender interviewt - das waren die Highlights des heutigen Tages.

Ein schwarzer Tag für Deutschland - diese Überschrift stand schon nach der gestrigen Auslosung der 8. Runde fest, denn von unseren 14 Startern spielten 12 mit den schwarzen Steinen. Leider gilt die Überschrift auch für das Ergebnis: 6 Punkte sind eine magere Ausbeute des Tages, und anscheinend hat dies doch auch an der ungünstigen Farbverteilung gelegen, denn Lea und Filiz wussten den Anzugsvorteil zu nutzen.

Filiz OsmanodjaDies ist insbesondere im Falle von Filiz sehr erfreulich, denn sie übernahm mit ihrem traumhaft sicher herausgespielten Sieg gegen die Indonesierin Warda Aulia Medina die Tabellenführung. Morgen spielt sie gegen die Nr. 1 der Startliste, Mo Zhai aus China, die heute der an 2 gesetzten Kolumbianerin Paula Andrea Rodriguez unterlag. Zu den Verlierern des Tages zählten leider auch Maximilian Berchtenbreiter und Julian Jorczik, wodurch die Zahl unserer Medaillenkandidaten weiter geschrumpft ist.

Einige Male berichtete ich hier schon von der kleinen Nadya, die mit ihrem Vater ganz alleine aus dem Jemen angereist ist und in der U8 spielt. Ein Blick auf das breite Grinsen genügt: So lächeln nur Sieger. Inzwischen hat sie schon 5 Punkte, heute landete sie einen Schwarzsieg in einem Najdorf-Sizilianer mit heterogenen Rochaden – für ihren Mut (den ich bei vielen der hier spielenden Mädchen in den unteren Altersklassen vermisse) hätten eigentlich beide Spielerinnen einen Punkt verdient.

Nadya mit VaterDr. Ahmed M. Salah berichtete, dass er im Vorfeld keinerlei Unterstützung durch den jemenitischen Schachverband erhalten habe. Obwohl seine Tochter arabische Meisterin wurde, habe man sie für eine Teilnahme an dem Turnier als zu schwach angesehen. Es gebe auch keine Unterstützung durch einen Trainer vor Ort. Das Schachspiel habe Nadya in der Ukraine erlernt, wo die Familie mehrere Jahre lebte. Dr. Saleh studierte in der Ukraine und lernte dort seine spätere Frau kennen, vor zwei Jahren siedelten sie in den Jemen über. Zur Jugendweltmeisterschaft sei er schließlich auf eigene Kosten angereist. Inzwischen habe die Stimmung sich völlig gewandelt, ein kritischer Journalist habe in der Zeitung über Nadya und die mangelnde Unterstützung berichtet, auch über die Unterstützung vor Ort durch einen deutschen Schachtrainer. Jetzt habe die Verbandspräsidentin seine Frau angerufen und jegliche Hilfe angeboten.

Remis!???Thomas Pähtz, der heute zur Schicht im Turniersaal antrat, fotografierte die obige Stellung, weil diese Remis gegeben wurde. Es ist zwar nicht ganz klar, wer am Zug ist, aber meine bescheidenen Schachkenntnisse sagen mir, dass dies hier von untergeordneter Bedeutung ist.

Ohne jede Vorwarnung gerieten wir beim Abendessen in einen Empfang, zu dem unser Hotel die an der WM teilnehmenden Gäste offensichtlich eingeladen hatte. Wie in Vietnam offenbar üblich, wurde auch dieses Ereignis groß aufgezogen: Es gab Bier und Wein, eine Kapelle (ich hoffe, man sagt auch in Vietnam so) spielte Evergreens, das Essen war besonders lecker und das regionale Fernsehen zeichnete die Veranstaltung auf.

JugendWM 2008 Ehe ich wusste wie mir geschah, hielt mir der durch die Veranstaltung führende Conferencier ein Mikrofon vors Gesicht und ich war mitten in einem Interview. Also Leute: Morgen alle TV Bar Ria / Vietnam einschalten, dann könnt Ihr Euch über meine holperigen Versuche amüsieren, in gequältem Englisch dem geschätzten vietnamesischen Publikum meine Eindrücke von Meisterschaft, Land und unserem Hotel zu vermitteln. Ich bin schon auf die für morgen versprochene Aufzeichnung des Interviews gespannt!

Bei dem „Conferencier“ handelt es sich übrigens um Dr. Truong, der in der dem Hotel angeschlossenen Klinik als Radiologe arbeitet. Vor einigen Tagen unterhielt ich mich mit ihm beim Mittagessen, er spricht auch recht gut deutsch. Dr. Truong arbeitet hier von Montag bis Sonntag, am Sonntag Nachmittag hat er aber frei. Am heutigen Abend entpuppte er sich auch noch als leidenschaftlicher Sänger, der russische, französische und englische Lieder zum besten gab. Ein echtes Multitalent!

JugendWM 2008Einen durchaus ebenbürtigen Sangesbruder hat auch unsere Delegation aufzuweisen: Vater Brandl gab mehrere deutsche Lieder zum Besten, deren Texte er zum Teil aktuell an unseren Vietnamaufenthalt angepasst hatte. Kongenial!

GM Thomas Pähtz war heute mit der Kamera unterwegs, seine Schnappschüsse aus dem Turniersaal und die übrigen Bilder des Tages finden Sie unter Fotos Vietnam 2008.

Zurück