Pflicht in Bremen

Geschrieben am 14.03.2011 von Ulrich Geilmann

Karneval in BremenBremen ist zwar nicht das Nordkap aber zumindest nördlicher als Recklinghausen! Und die treuen Leser von Kaptn’s Korner wissen ja, dass es mich als Weißwurstäqautorialindianerin immer wieder fasziniert, wenn es auf der Karte nach oben geht! Deshalb habe ich nicht zweimal darüber nachgedacht, meinen neuen Lieblingsverein als offiziell akkreditierte Gastkommentatorin nach Bremen zu begleiten!

Es ist für mich nicht das erste Mal, das ich in der Hansestadt verweile. Ich hab auch schon die Jungs von Werder Bremen gesehen; allerdings nicht die Schachspieler, sondern die Fußballer und die haben mich (man möge mir dies verzeihen) nicht für sich gewinnen können! Bei dem besagten Spiel gegen Dortmund hatte Werder jedoch keine Chance. An diesem Wochenende sah das aber anders aus. Davon später mehr.

BremenBremen ist auch ohne konkreten Anlass eine Reise Wert. Der Roland, die Bremer Stadtmusikanten, das Schnoorviertel, der Marktplatz und die ehrwürdigen Fassaden der Altstadt sind ein Augenschmaus.

Angekommen sind wir bereits am Freitag. Das Hotel war ausgesucht. Die Zimmer groß und tatsächlich warm! Was ich jedoch nicht ahnen konnte, war, dass mich die Straßenbahn durch die Nacht begleiten würde!

Ziemlich hungrig steuerte das Team dann gegen 18.30 Uhr das hoteleigene Restaurant in der Hoffnung an, ziemlich zügig was Nahrhaftes zwischen die Kiemen zu bekommen. Tja, das war leider allerdings ein gehöriger Irrtum! Wegen personeller Unterbesetzung bei Küche und Service dauerte es Stunden bis endlich das Essen auf den Tisch kam. Mal ganz abgesehen davon, dass die Speisenkarte offenbar auch nicht mehr aktuell war.

Liebe Leute! Züntig nennt man des bei uns!

Von meiner bayrischen Liebenswürdigkeit musste ich mich allerdings a bißal zurückhalten. Keine Sorge, den Kellner hätte ich nicht gefressen (zumindest hätte ich die Gräten übrig gelassen). Aber als dann das letzte und augenscheinlich wohl komplizierteste Tagesgericht (ein Brathering mit Bratkartoffeln) tatsächlich schon um 22.00 Uhr auf dem Tisch stand, liefen selbst die geduldigsten Gemüter mit mir Amok! Dafür wurden schließlich tatsächlich 5 Leute mit einem Absacker entschädigt. Na toll!!

Naja… das war halt das erste und letzte Mal hier!

Obwohl: der Koch hat sich schließlich doch noch entschuldigt. Aber selbst der immer so besonnene Klaus Bischoff kommentierte das dann nur noch sarkastisch: „Kann ich gut verstehen. Ist halt schon scheiße, wenn Kundschaft kommt!“

Die Stimmung im Team war trotzdem gelöst. Es wurde gescherzt und gelacht. Die Katernberger sind sich offensichtlich vor nix fies!

Wie schon erwähnt fuhr die Trambahn dann durch mein geräumiges Einzelzimmer und ich freute mich die ganze Nacht über mehr oder weniger wach liegend auf das morgendliche Kraftfrühstück.

Das wurde dann auch reichlich aufgefahren und war um Klassen besser als das säumige Nachtmahl.

Ich kann ja nicht nur immer kritisieren und meckern! Außerdem: Ma sagt ja nix… ma red ja bloß!

Karneval in BremenNach der morgendlichen Nahrungsaufnahme bin ich dann in die Innenstadt von Bremen gefahren. Allerdings ohne zu ahnen, dass ich dort in eine hanseatisch-vornehme Karnevalsveranstaltung geraten würde.

Fasching mal ganz anders: so mit kulturphilosophisch- zeitkritischen Touch im Samba-Stil! Junge, Junge! Sauber sag i.

Um 13.00 Uhr ging’s dann zum Turniersaal ins gediegene Swisshotel. Der erste Gegner dieses Wochenende hieß Delmenhorst:

Brett Delmenhorst - SF Katernberg
1 Heberla - Volokitin
2 Warakomski - Chuchelov
3 Jugelt - Bischoff
4 Luch - Firman
5 Meyer - Glek
6 Höffer - Zaragatski
7 Dr. Ohse - Siebrecht
8 Kügel - Kotainy

Die Niedersachsen, die bislang in dieser Bundesligasaison schwere Kost zu verdauen hatten, traten also mit einer eindeutig eloschwächeren Mannschaft an. Meine Buam waren damit klare Favoriten!

Die ersten Ausrufezeichen des Tages setzten Andrei Volokitin (der sich einen deutlichen Entwicklungsvorteil erspielte) und Igor (der fast unvermittelt einen Turmeinschlag auf f7 produzierte). Auch Nazar Firman und Ilja Zaragatski schienen ihre Gegner überspielen zu wollen.

Igor Glek - Malte MeyerIgor exekutierte seinen Gegner dann tatsächlich in nur 17. Zügen! Beeindruckend! (1:0).

Jens spielte derweil mit zwei Doppelbauern - stand aber ebenfalls gut!

In der dritten Spielstunde glänzte Andrei durch eine taktische Wendung! Er zertrümmerte dabei durch ein geschicktes Springermanöver die Stellung seines Gegners und sicherte sich - so schien es zumindest - eine lang anhaltende Endspielinitiative.

Auch Vladimir Chuchelov suchte sein Heil in einer kleinen Kombination und fügte seinem Gegner so einige strukturelle Schwächen zu.

Wahrend dessen entwickelte Wastl, the artist fomaly known as Sebi, eine gefährliche Initiative am Königsflügel und gewann schließlich im Hurra-Stiel. Eine typische Siebrechtpartie – so der O-Ton des Bremer Kommentators. (2:0). Gut gemacht. Mehr davon!

Ulrich GeilmannGleichwohl, so einfach war die Sache nicht. Die Delmenhorster wehrten sich nach Kräften! Zumindest plagten Andrei, Vladimir, Ilja und Jens erhebliche Zeitnotprobleme. Dies wiederum ließ den Katernberger Teamchef Ulrich Geilmann nervös werden. Er huschte fortan im Turniersaal herum wie Weiland Winnie Puh’s Tigger!

Zu Recht, wie sich zeigte, denn zumindest Vladimir musste sich dem Druck beugen. Seine notorische Zeitnotsucht sorgte nach einem Einsteller leider einmal mehr für ein völlig unnötiges Anschlusstor. (2:1).

Nach der Zeitkontrolle hatten sich bei Andrei, Klaus, Ilja und Jens tendenziell eher remisliche Stellungen ergeben. Der einzige kleine Lichtblick war Nazar, der immer noch einen Vorteil hatte; allerdings war der tatsächlich nur schwer zu realisieren, da sie Stellung verschachtelt blieb.

Jens zog daraus als erster die Konsequenz und teilte die Punkte (2,5:1,5). Allerdings musste er danach zu seinem Schrecken feststellen, dass er vorher einen klaren Gewinnzug ausgelassen hatte. Aua!

Auch Ilja’s Stellung verdüsterte sich irgendwo.

Kurz danach machte Andrei Remis. (3,0:2,0).

Klaus Bischoff - Tobias JugeltZumindest auf Klaus war jedoch verlass! Er konnte sein Endspiel doch noch zu seinen Gunsten drehen und gewann schließlich verdient. (4,0:2,0). Jetzt noch ein halbes Pünktchen und der Keks wäre gegessen.

Jens Kotainy und Ilja ZaragatskiDoch die orale Einvernahme des betreffenden Backwerks dauerte noch ein geraumes Weilchen, wobei Ilja zunächst wie befürchtet verlor. (4,0:3,0).

Derweil summte Nazar ständig ein Liedchen vor sich hin. Es war die alte ukrainische Weise Wölfchen, warte in der Winterwelt bis irgendwer vom Schlitten fällt! Jedenfalls weigerte er sich beständig ins Remis einzuwilligen, da er für sich theoretische Gewinnoptionen sah.

Doch es kam dann so wie es kommen musste. Das Remis war unausweichlich. Damit erspielten sich die Katernberger Buam einen knappen, aber letztlich auch verdienten Arbeitssieg! (4,5:3,5):

Brett Delmenhorst - SF Katernberg Erg.
1 Haberla - Volokitin ½ : ½
2 Waranowski - Chuchelov 1 : 0
3 Jugelt - Bischoff 0 : 1
4 Luch - Firman ½ : ½
5 Meyer - Glek 0 : 1
6 Höffer - Zaragatski 1 : 0
7 Ohse - Siebrecht 0 : 1
8. Kügel - Kotainy ½ : ½

Den Tagesabschluss bildete dann ein zünftiges Essen beim Griechen! Im Gegensatz zum Vortag wurde schnell aufgetischt! Gemütlich war’s ebenso! Geschmeckt hat’s auch! Herz, was begehrst Du mehr; auch wenn der Grieche ursprünglich eigentlich ein Chinese sein sollte! Egal. Wir sind flexibel!

Inzwischen hatte ich mich auch an das Dröhnen der vorbeifahrenden Straßenbahn gewöhnt, so dass ich erstaunlich schnell einschlief. Kann natürlich auch daran gelegen haben, dass ich noch etwas groggy vom Vortage war.


Am nächsten Morgen ging des nach dem guten und proteinreichem Frühstück nämlich gegen Werder Bremen und da wollte ich fit sein. Schließlich hatten die Norddeutschen große Namen aufgefahren:

Brett SF Katernberg - Werder Bremen
1 Volokitin - Eljanov
2 Chuchelov - Gashimov
3 Bischoff - Efimenko
4 Firman - McShane
5 Glek - Areshchenko
6 Zaragatski - Nyback
7 Siebrecht - Hracek
8 Kotainy - Babula

An den Elozahlen gemessen, eigentlich eine klare Sache für die Hanseaten. Die Bremer stellten zu diesem Anlass übrigens auch ihre neue Mannschaftskleidung vor:

Karneval in Bremen

Aus eröffnungstheoretischer Sicht spielte Igor sicher die merkwürdigste Partie. Aber  da beide Spieler die Züge relativ schnell und sicher abspulten, ging ich davon aus, dass das so noch in irgendwelchen Büchern über die Französische Verteidigung stand. Maestro Glek gilt ja gemeinhin als Kenner dieser Materie. Dabei hatte ich den Eindruck, dass er sich gehörig einigelte. Nutzte aber nichts, denn der junge Areshchenko öffnete kompromisslos alle Schleusen am Königsflügel. Heidernei, was für ein Tanz!

Ansonsten gab’s den üblichen Variantensermon von Benoni bis Sizilianisch.

Nazar FirmanNazar streute derweil eine kleine taktische Kapriole ein. Er opferte seinen Springer auf f7, um sich so dann einen der beiden Läufer abzuholen.

Übrigens waren im Swiss Hotel heuer auch Ballack & Co. untergebracht. Aber da die Herren es nicht für notwendig erachtet haben, mich zu begrüßen, tat ich das auch ned. Arrogante Deppiane!

Was dann mit Igor veranstaltet wurde, war wirklich bemerkenswert. Sein starker Gegner schnürte ihn zunächst bis zur Bewegungsunfähigkeit ein, danach bekam er den Spinnenkuss und schließlich den fast erlösenden finalen Rettungsschuss. (0:1).

Vladimir ChuchelovWährend dessen verhedderte sich Vladimir gegen den Weltklassespieler Vugar Gashimov immer mehr im Variantendschungel. Das kostete Nerven und Zeit. Am Schluss hatte der gute Vladimir von beidem zu wenig. Das kostete ihn schließlich die Partie. (0:2).

Ein kleiner Lichtblick war unser Benjamin! Der Jens! Er konnte seinen starken Gegner unter Druck setzen und holte so ein verdientes Remis (0,5:2,5).

Die übrigen Partien waren bis zur Zeitkontrolle weiter hart umkämpft. Dabei lieferten sich besonders Nazar und Sebastian mit ihren Gegnern packende Zeitnotduelle.

Nachdem der zusätzliche Druck, den die Schachuhren verursachten, vorüber war, galt es Kassensturz zu machen:

Andrei hatte nach wechselvollem Spiel mittlerweile eine remisverdächtige Stellung gegen seinen ukrainischen Landsmann erzielt.

Nazar, Klaus und Sebastian standen mittlerweile bedrängt.

Nur Ilja schien sich auf der Gewinnerstraße zu befinden.

Das bedeutete bei stringentem Spielverlauf: Werder Bremen 6, Katernberg 2. Würde bei weitem nicht reichen!

Um 14.30 Uhr konnte dann Ilja seinen finnischen Fisch tatsächlich an Land ziehen (1,5:2,5). Der gute Tomi Nyback ist offenbar ein treuer Punktelieferant für unseren Sunnyboy.

Sebastian SiebrechtDoch das half dem Wastl ein paar Sekunden später auch nicht mehr. Mit einem Turm weniger auf dem Holzbrettl spielt sich´s hoid ned so guad. (1,5:3,5).

Und der Teamchef - wie soll ich’s sagen - der war malad, also down oder so.

Umso mehr als dann auch der Klaus Bischoff aufgeben musste. (1,5:4,5). Das Wunder von Bremen blieb aus.

Andrei VolokitinUnd was machte die ukrainische Achse? Die kämpfte mit dem Mut der Verzweiflung, denn mittlerweile hatten sich die Stellungen nicht gerade zu ihrem Vorteil entwickelt.

Es wurde dann aber noch ein quälend langer Nachmittag, wobei es Nazar als ersten niederschlug. (1,5:5,5).

Um 16.45 Uhr war’s dann aber doch soweit; auch Andrei musste sich schließlich geschlagen geben. (1,5:6,5).

Brett SF Katernberg - Werder Bremen Ergebnis
1 Volokitin - Eljanov 0 : 1
2 Chuchelov - Gashimov 0 : 1
3 Bischoff - Efimenko 0 : 1
4 Firman - McShane 0 : 1
5 Glek - Areshchenko 0 : 1
6 Zaragatski - Nyback 1 : 0
7 Siebrecht - Hracek 0 : 1
8 Kotainy - Babula ½ : ½

Damit endete ein durchwachsenes Schachwochenende für die Katernberger.

Zum Schluß möcht´ i no sagen, dass es mir wieda moi vui Spaß g´macht hat dabei zu sein und g´frei mi scho auf  Mühlheim. Auf geht´s Buam!

Heidi Saller

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