Ernüchterung (5/7)

Geschrieben am 06.03.2021 von Lukas Schimnatkowski

Schon vor dem Mannschaftskampf der fünften Runde der DSOL war klar, dass SFK I gegen Deizisau (ELO-Schnitt 2662) krasser Außenseiter wäre. Umso unerfreulicher war die um 19:15 Uhr bekanntgegebene Aufstellung. Neben den zwei besten deutschen Spielern (Alexander Donchenko und Matthias Blübaum) brachte Deizisau auch noch die vermutlich momentan größte deutsche Schachhoffnung Vincent Keymer sowie den deutschen U16 Meister Ruben Gideon Kölner ans Bett. Somit wurden wir also mit der Top Spitze des deutschen Schachs konfrontiert. Sebastian Siebrecht sagte dazu in seiner Live-Show nach dem Interview mit unserem Vorsitzenden Bernd Rosen sehr treffend: „Alles andere als 4:0 wäre eine Sensation.“

SFK I

Mir selbst wurde die Ehre zuteil, gegen Vincent Keymer spielen zu dürfen. damit hatte ich allerdings überhaupt nicht gerechnet, sodass ich mich auch überhaupt nicht auf Caro-Kann vorbereitet hatte. Da ich ganz gerne die Fantasie-Variante spiele folgte in der Partie 1.e4 c6 2.d4 d5 3.f3 dxe4 (natürlich bei Weitem die ambitionierteste Antwort) 4.fxe4 e5 5.Sf3 Lg4 6.Lc4 Sd7 7.c3 Ld6 8.0-0 Sgf6

Ich hatte an dieser Stelle bereits völlig vergessen, was hier der ambitionierteste Plan für Weiß ist. Ich meinte mich an eine Partie Timofeev zu erinnern, die ich mir vor einiger Zeit mal angeschaut hatte, in der Weiß mit De1-Dh4 einen gefährlichen Angriff inszenieren konnte. Deswegen wählte ich 9. De1, was an dieser Stelle allerdings komplett verfrüht ist (natürlich muss zuerst die Entwicklung beendet werden). Nach 9…0-0 10.Lg5 folgte der simple aber starke Zug 10…Lxf3, wonach ich mit 11.Txf3?? Die Partie bereits im höheren Sinne einstellte. Nötig war 11.gxf3, was unschön aussieht, Allerdings ist dann nach 11. Db6 noch 12. Df2 möglich (weil e4 dann durch f3 zuverlässig gedeckt ist) und Weiß bleibt vorläufig im Spiel. In der Partie folgte jedoch einfach 11...Db6 wonach die weiße Stellung zusammenfällt, weil die Bauern b2 und d4 nicht mehr komfortabel zu verteidigen sind.

Im Nachhinein ärgert mich etwas, dass ich die Partie Timofeev nicht mehr ausreichend im Gedächtnis hatte. Sonst hätte ich vielleicht 9.Lg5 0-0 10.Sd2 gespielt und nach z.B. 10…Dc7 ist 11.De1! der Anfang eines vielversprechenden Angriffsplans. Für Interessierte hier die instruktive Partie von Timofeev:  11…b5 12.Lb3 h6 13.Le3 Tae8 14.Dh4 exd4?! 15.Lxh6!? (ein sehr interessantes Figurenopfer, das die prinzipiellen Möglichkeiten der weißen Stellung exemplarisch zeigt) 15…gxh6 16.cxd4 Le6 17.e5 Lxb3 18.Dg3+ Kh7 19.exd6 und Weiß gewann wenige Züge später (Timofeev, Artyom, 2664 – Bareev, Evgeny, 2677; Moskau, 2008). Ich habe zweifellos in der Partie einen schlechten Tag erwischt, allerdings hätte ich wohl auch an meinem besten Tag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nichts gegen meinen schnell aufspielenden Gegner ausrichten können.

Auch am ersten Brett machten sich bereits gewisse Probleme bemerkbar. Bernd Rosen hatte am Brett 1 mit Schwarz in der Tarrasch-Variante der französischen Verteidigung bereits mit 7...b5 einen Bauern ins Geschäft gesteckt (ich weiß ehrlicherweise nicht, ob dieses Gambit einen Namen hat). Natürlich nahm Alexander Donchenko diesen Bauern einfach, spielte normale Entwicklungszüge und verbesserte die weiße Stellung immer weiter, während sich in Bernds Stellung immer mehr Schwächen offenbarten. Es gibt leider in dieser Partie keine spannenden Momente mehr, weil Weiß einfach dauerhaft Vorteil hat. Daher kam es hier ebenso klar zu einem Sieg für Deizisau, 0-2.

Etwas mehr Gegenwehr konnte Thomas Wessendorf am zweiten Brett entgegenbringen. Nachdem sich auch Matthias Blübaum für Caro-Kann entschied und Thomas kurzzeitig etwas improvisieren musste, entstand nach einigen spannenden Momenten diese Stellung:

Hier haute Thomas selbstbewusst 24.Sxg7! raus und nach 24…Kxg7 stellt sich die wegweisende Entscheidung, ob Weiß mit wie in der Partie mit 25.h5 fortsetzen, oder lieber mit 25.Dxf6+ All‑in gehen sollte. In der Partie folgte 25…De7 26.hxg6 hxg6 27.e4 Se6, wonach Thomas mit 28.Dg3?? leider den entscheidenden Fehler beging, weil Schwarz nach 28…Sg5 den Bauern e4 gewinnt (28.e5! wäre wohl gut gewesen, allerdings ist die Stellung danach völlig unklar). Nun zu 25.Dxf6+: Dieser Zug wird von Stockfish gegenüber h5 deutlich bevorzugt, danach muss man mit Weiß aber zwangsläufig die nach 25…Kg8 26.h5 Lxh5 27.Dg5+ Lg6 28.Txf7 Dxf7 29.Lxf7+ Kxf7 entstehende Stellung spielen, die meines Erachtens äußerst schwer einzuschätzen und zu verstehen ist.

Die letzte verbleibende Partie spielte Max Heldt an Brett 4 mit Schwarz gegen den deutschen U16-Meister Ruben Gideon Köllner. Feststellen lässt sich auf jeden Fall, dass Max mit Abstand die längste Gegenwehr geleistet hat, da die Partie immerhin 76 Züge lang war. Trotzdem unterlag Max in einem hochkomplexen Turmendspiel (erst mit vier Türmen, dann mit zwei) letztendlich, weil er nicht die richtigen Turmmanöver fand. Die richtige Idee gegen den gegnerischen Randbauern wäre der Turmangriff von der Seite gewesen, den Max in absoluter Zeitnot nicht ausfindig machen konnte, somit steht am Ende ein wahrlich ernüchterndes 0-4.

Somit liegen wir in der Tabelle nach fünf Runden auf dem fünften von acht Plätzen. In den verbleibenden letzten beiden Runden spielen wir mit Walldorf (19.03.) und Dinslaken (26.03.) noch gegen einen Gegner aus der unteren und einen aus der oberen Tabellenhälfte.

SFK II

Die zweite Mannschaft konnte sich währenddessen über einen souveränen 3:1-Sieg gegen Marburg freuen. Dabei konnte auch Tilman Klimek seinen ersten Sieg beisteuern. Nach solider Eröffnung gelang es Tilman, am Damenflügel erheblichen Raumvorteil zu gewinnen, sodass der Gegner ohne erkennbaren Sinn eine angegriffene Figur für zwei Bauern opferte, statt diese schlichtweg zurückzuziehen. Tilman verwertete den entstandenen Materialvorteil sicher, 1-0.

Unterdessen verschätzte sich allerdings Edwin Otremba, als er durch zu schnelles Spiel einen Springer seines Verteidigers beraubte, sodass dieser zweizügig verloren ging. Nachfolgend stand Edwin leider sofort auf verlorenem Posten, 1-1.

Am vierten Brett konnte Friedrich Dicks erneut zur Höchstform auflaufen und ein eigentlich remises Bauernendspiel so verkomplizieren, dass der gegnerische Patzer nahezu vorprogrammiert war:

In der Diagrammstellung hatte Friedl gerade 50...Kd6 gespielt, worauf Weiß mit dem normal anmutenden 51.Kd4?? reagierte. Dieser Zug verlor allerdings nach 51...a5 52.bxa5 bxa5 53.c5+ Kc6 54.Kc4 a4 55.Kb4 a3 sofort, weil sich der schwarze König dank des entfernten Freibauerns schneller dem verbleibenden g-Bauern nähern kann. Es gibt in der Diagrammstellung nur einen Zug für Weiß, der tatsächlich das Remis hält: 51.Kd3! wäre nötig gewesen, allerdings ist der rettende Hafen aus weißer Sicht noch nicht ganz erreicht. Erst nach 51...a5! 52.c5+! Kc6 53.Kc4! (53.cxb6 wird nach 53...a4! noch einmal schwierig) 53...b5+ 54.Kc3 Kd5! 55.bxa5! ist endgültig Remis. Diese Sequenz war für Weiß schwierig zu sehen, von daher ein verdientes 2-1.

Am ersten Brett hatte Lasse Struck mit Schwarz das sizilianische Vierspringerspiel gewählt und bereits im Mittelspiel das Zentrum mit zwei mobilen Bauern besetzt. In Folge machte Lasse allerdings den strategischen Fehler, sein Übergewicht im Zentrum zunächst nicht ans Laufen zu bringen, um mehr Raum zu gewinnen. Durch diese Ungenauigkeiten büßte er schließlich einen Bauern ein und es entstand danach diese Stellung:

Hier wählte Lasse 20...Lb4?, wonach Weiß leicht in entscheidenden Vorteil hätte kommen können. Denn mit 21.Dxd4! kann Weiß die Drohung Lxe1 einfach ignorieren, da dies nur eine Qualität gewinnt. Die Stellung nach 21...Lxe1 (21...Dxd4? verschlimmert die Lage noch durch Abtauschoperationen) 22.Txe1 ist dank der drei verbundenen Freibauern objektiv einfach gewonnen für Weiß. Diesen Umstand erkannte der Gegner glücklicherweise nicht und spielte mit 21.Tf1? weiter (21.c3 wäre auch gut möglich gewesen). Danach folgte allerdings das starke 21...d3! und nach 22.cxd3 Lxb5 23.axb5 Txa1 24.Dxa1 exd3 25.Lf3 Dxb5 hat Schwarz dank des d-Bauern klaren Vorteil. Nachdem Lasse auch noch den weißen b-Bauern gewonnen hatte, war das Endspiel langfristig nicht mehr haltbar für Weiß, 3-1.

Nach diesem Sieg liegt SFK II nun ebenfalls auf dem fünften Tabellenplatz und spielt ebenso wie SFK I noch gegen einen Gegner aus der oberen (Eckernförde, 15.03.) und einen aus der unteren (Kirchheim, 26.03.) Tabellenhälfte.

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